Fliegen, Zecken, Hitze, Schwuele
Meine erste Nacht auf dem Weg zu den Iguazu Wasserfaellen. Ich habe ein freies Feld gefunden. Abseits der vielbefahrenen Strasse. Der Himmel ist dunkelblau, grau. In der Ferne blitzt es. Wie ich mein Zelt drehe und wende. Es ist falsch. Der Wind weht von allen Seiten. Ich verstaue gerade noch rechtzeitig die Taschen im Zelt, als der Himmel seine Pforten oeffnet. Charlotte liegt weit entfernt im Gras und ich hocke mich weit entfernt von Zelt und Fahrrad ins Gras. So wie ich es gelesen habe. „Verhalten bei Gewitter“. Es donnert und blitzt ohne Unterbrechung. Ich werde klatschnass. Endlich, endlich einmal nicht schwitzen. Mir ist fast kalt, eine Wohltat. Ich klaube die an meinen Beinen hochmarschierenden Zecken ab, zermatsche sie. Und dann ist der Spuk ploetzlich vorbei. So schnell wie er gekommen ist.
Am naechsten Morgen schwitze und klebe ich wieder. Den ganzen Tag, den naechsten, uebernaechsten. Kleine Fliegen beissen mich. Es juckt und juckt. Das halte ich nicht durch. Drei Monate lang. Ich fange an, an meinen Plaenen zu zweifeln. Zu den Iguazuwasserfaellen, dann nach Paraguay zu den dort lebenden Mennoniten, und ueber Bolivien zurueck nach Jujuy.

a bit too boring for 900km
Zum ersten Mal auf der Reise wuensche ich mir sehnsuechtig eine/n Compañero/a. Ich will hier nicht alleine durch.
Angel
In El Galpon schickt mich die Polizei zum Uebernachten zur staedtischen Sportanlage und dort finde ich Angel, aus den USA, mit Latino-wurzeln. An sein Rad hat er ein drittes Rad angebaut, Platz fuer einen dritten Gepaecktraeger. Er hat viel Gepaeck.

Angel
Angel ist vor zwei Jahren gestartet, in den USA. Er stellte sich vor die Wahl, bringe ich mich jetzt um, oder setze ich mich aufs Rad. Sein Leben bestand aus Arbeiten, Saufen, Schlafen und Null Perspektive. Angel redet von seinem frueheren Leben, das er abgehakt hat. Er will auch nicht mehr in die USA zurueck.
Fuenf Wochen werde ich mit Angel zusammenfahren. Er erzaehlt mir Geschichten aus seinem frueheren Leben, wie er sich mit einem Tankwart schlug, weil dieser nicht aufhoerte, die Scheiben seines Autos zu putzen, so voller Agression, wie er mit seiner Frau und Tochter eine Zeitlang in einem heruntergekommen Hotel lebte. Crack an die Bewohner verkaufte, mit denen er unter einem Dach lebte, um moeglichst schnell dort wieder herauszukommen. Sie fanden eine Wohnung in einem Schwulen- und Lesbenviertel, Nirgends war es friedlicher und freundlicher als dort, meinte Angel. Er erzaehlt, wie er sich nach einem Hurrican eine Elektosaege kaufte und fuer die ganze Nachbarschaft die umgekippten Baeume kleinsaegte. Er verdiente 100e von Dollar in der kurzen Zeit, bis andere auch auf die Idee kamen.
Angel lernte niemals einen Beruf, verkaufte Buecher und Zeitschriften an der Haustuer.
Und als er sich gegen den Tod und fuer das Leben und das Fahrrad entschied verdiente er 70.000 Dollar im Jahr, hatte ein Haus, ein Auto. Der wahrgewordene amerikanische Traum eines Tellerwaeschers.
Schon unterwegs, fand er Arbeit als Eisverkaeufer in Arica. Jeden Morgen fuhr er auf einem Motorrad los um die Kartons voller Eis unter die Leute zu bringen. Anstatt die Innenstadt anzusteuern und dort den lieben langen Tag zu versuchen, das Eis einzeln unter die Leute zu bringen, fuhr er in die Aussenbezirke, steuerte die Kioske an und verkaufte das Eis kartonweise. Nach einer Stunde war er fertig, legte sich aufs Bett, rauchte einen Joint oder zwei und brachte abends das Geld zu seinem Chef. Angel hatte einen wirklich hohen Stundenlohn.
In Bolivien wird er von einer Frau gefragt, ob er spontan auf ihr Haus aufpassen koennte, sie muesse fuer ein paar Tage fort. Ueber so viel Vertrauen ist selbst Angel ueberrascht. Das Geld welches sie ihm bietet, lehnt er ab.
Wir teilen Freud und Leid
Geteiltes Leid ist tatsaechlich halbes Leid. Alleine waere ich durchgerast, im Irrglauben, der Hitze zu entkommen. Und so besteht unsere Reise durch diese eintoenige Gegend mehr aus Pausen, denn aus Fahren. Angel besorgt gefrorenes Wasser aus Plastikflaschen,

Ice to cool down my legs
kauft eine Flasche Wein, kocht lecker Mittagessen fuer uns auf seinem Holzkocher.

Angel is cooking lunch
Abends finden wir immer Plaetze mit Duschen, bei der Feuerwehr, in Gemeindesälen oder wir werden privat eingeladen.

Offering a shower and kitchen with AC

We stayed two days with this wonderful family
In meiner Abwesenheit wird Angel von einheimischen Maennern oefter gefragt, ob wir miteinander voegeln und Angel stellt seinem Gegenueber eine Gegenfrage: „Geht es dir bei einer Frau nur ums Bumsen oder kannst du dir vorstellen, einfach befreundet zu sein?“ (oder so aehnlich). Er stellt sein Gegenueber im Beisein der anderen anwesenden Maenner als voellig rueckstaendig und schwanzfixiert bloss, erntet ein Lachen. Mit diesen Von-Mann-zu-Mann-Gespraechen traegt Angel meiner Meinung nach viel mehr zur Emanzipation des maennlichen Geschlechts bei als es eine oder viele Frauen je tun koennen. Diese Maenner respektieren Angel. Fuer die Frau reicht der Respekt nicht.
Pampa del Inferno
Wir nähern uns Pampa del Inferno. Und tatsaechlich, die Temperaturen steigen linear an, erreichen ihren Hoehepunkt beim Ortsschild: 50,3 Grad Celsius.

Pampa del Inferno
Mein persoenlicher neuer Hitzerekord der Reise, der zuvor bei 49,9 Grad lag und in der Wueste von Turkmenistan gemessen wurde.
Vier Tage lang versuchen wir einen Lastwagen zu finden, der uns mitnimmt. Angels Visum laeuft aus. Mich stresst das, mache mir mehr Sorgen als er sich. Ich bekomme die Kurve. Es ist sein Visum, sein Leben. Punkt.

Trying to hitchhike at 5 am
Mir geht es wieder besser. Wir schwingen uns aufs Rad und fahren selbst los. Aber auch Angel stresst sein Visum.

still trying to hitchhike
Bis zur Grenze wuerden wir es nicht mehr rechtzeitig schaffen wenn wir nicht taeglich ohne Pausentag dreimal so viel fahren wuerden wie sonst. Und dann laesst auch Angel los. Scheissegal.
Weihnachten
Einen Tag vor Weihnachten sitzen wir in in Machagai auf der Plaza und kochen Mittagessen, als Alfredo uns anspricht und uns zu sich nach Hause einlaedt, doch zunaechst muss er seine Eltern fragen. „Un ratito, vuelvo“ sagt er zu uns „Ein Momentchen, ich komme zurueck.“ Angel und ich gucken uns an, fragen Alfredo was er mit „un ratito“ meint. Un Ratito kann aus Erfahrung fuenf Stunden dauern. Nach fuenf Minuten kommt er zurueck. Alles klar.
Im Kreise seiner Grossfamilie verbringen wir, gebratene Fleischhaufen essend, Heiligabend. Um Mitternacht steigen Raketen in den Himmel, Kinder schmeissen Boeller, wie bei uns Sylvester.
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Ich bin dieser Familie sehr dankbar dafuer, dass sie uns beide so fremde an diesem Tag aufgenommen haben wie einen Teil der ihren.
Ich werde zunehmend unruhig und ungeduldig, habe das Gefuehl, den lieben langen Tag nur noch auf Angel zu warten. Ich fahre vor, warte und warte.

Waiting for Angel
Dies ist nicht mehr meine Reise. So sehr ich Angel ins Herz geschlossen habe, ich moechte alleine weiter. Wenn ich an unsere gemeinsame Zeit denke, moechte ich mich an die vielen wunderbaren Momente erinnern, an unser Lachen, an die Floehe mit Hund. Ja, selten habe ich tatsaechlich so viel gelacht, wie mit Angel zusammen. Ich moechte mich an das Lachen erinnern, nicht an das Warten.
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Wir haben beide Traenen in den Augen als wir uns verabschieden.
Und dann fahre ich alleine weiter.
And life inbetween

on the road, chewing coca

stickers of motocyclists

First impression of Joaqin Victor Gonzalez

Welcoming Bomberos

Horse catching 1

Got it

spectators

happy pigs

Horse on a playground

Cat with blue and green eyes

in a house

Little Nandus

Christmastree

kaputter Zeltreissverschluss Nr. 1

No Violence against women

offered Beer

Abandoned Bakery

Still not very exiting

open gate

Gluehwein :-}

Thank You

Birthday icecream

waste incineration – Muellverbrennung
press on foto to enlarge repairing an old Ford

Juhuuu, it is raining