Salz auf meiner Haut

Es gibt kein Gestern, kein Morgen. Nur ein hier und jetzt. Ich bin der Sonne ausgesetzt, der Schwuele, meinem schwitzenden, klebrigen Koerper, permanent. Was kann ich ertragen? Ich kann nicht schlafen. Liege auf meiner Isomatte, klebe fest. Der Schweiss laeuft die Kniekehlen herab. Ich bin dankbar fuer jeden noch so kurzen Windhauch, der sich im Zeltinneren verirrt. Jeden Wasserhahn nutze ich, den Kopf abzukuehlen, das T-Shirt zu waschen und es triefend nass wieder anzuziehen. Die Hose schlabbert feucht an meinen Beinen, klebt. Dieser klebrige Koerper laehmt. Laehmt meine Gedanken. Ich muss mich aktiv daran erinnern, dass dieser Zustand kein Dauerzustand ist, dass wieder andere Tage kommen werden.

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salt on my skin

Zur Abkuehlung gucke ich die BBC-Serie „The frozen Planet“. Ueber die Antarktis, die Arktis, die Tiere, die dort leben. Die Koenigspinguine, die bei -50 Grad ihr eines Ei ausbrueten. Eisbaeren auf der Jagd nach Seeloewen, Schneewoelfe auf der Jagd nach Bisons. Es ist bitterkalt.

Meine Plaene, durch Afrika zu fahren, lege ich erstmal aufs Eis (haha). Es ist dort einfach fuer zu lange Zeit zu heiss. Das halte ich nicht durch. Ich schmiede neue Plaene, einmal quer durch Russland, zum Nordkap… im Winter, und der Gedanke, Tuktuyaktuk, das Ziel dieser Reise, im Winter zu erreichen, entzueckt mich mehr denn je.

Iguazu
In Iguazu komme ich bei Irma unter. Irma faehrt weder Motorrad, Fahrrad noch Auto. Sie bestellt ein Taxi. Ihr Fahrer ist Werder-Bremen-Fan. „Hä? Wieso denn gerade Werder Bremen?“ frage ich.
„Sie haben so ein schoenes Trikot. Ausserdem gefaellt mir die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten.“

Cataratas, so wie sie hier heissen: Die Wasserfaelle Iguazu, die groessten der Welt. 
Ja, sie sind beeindruckend. Und die Menschenmassen, die sich dieses Naturwunder ansehen sind ebenfalls beeindruckend. 

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Some people

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More People

Ich gucke sie mir an, aber ich fuehle sie nicht. Empfinde sie nicht. Ich kann nicht einfach in erster Reihe am Gelaender stehen und den Wind, die Gischt, den ewigen Donner bis ins Tiefste spueren. Dafuer wollen zuviele auch mal. Ich mache Platz fuer sie, mache noch schnell ein Foto und dann weiter.

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Fast zwei Wochen bleibe ich in Iguazu, bringe Margarita, einer Freundin von Irma das Fahrradfahren bei. Es macht Spass. Margarita macht grosse Fortschritte und ich bin, glaube ich, eine gute Lehrerin. 

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Margarita working

Der weite Weg zurueck
Margarita kennt einen LKW-Fahrer, der nach Salta fahren wird. Da moechte ich mit. Mich einfach in einen LKW setzen und mich aus dieser Hoelle kutschieren lassen. Ich warte und warte, aber seine Fahrt verschiebt sich immer wieder. Ich nehme den Bus, fahre 700 km bis nach Resistencia.

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Exhausted and happy

Trampe bis nach Pampa del Inferno. Und wie beim letzten mal mit Angel habe ich keinen Erfolg weiterzutrampen.

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At 6:30 am trying to hitchhike

Im Bus nach Salta ist kein Platz fuer Charlotte. Es gibt einen Bus nach Taco Pozo, 150 km. Den nehme ich. Gluecklich und dankbar ueber jeden Kilometer, den ich nicht selbst fahren muss. Am Busbahnhof repariere ich meinen allerersten Platten, schlafe wieder beim Rathaus, werde um 5:30 Uhr geweckt, habe wieder einen Platten. Ich bin voellig geraedert, flicke den Schlauch, baue das Rad ein. Und wieder platt. Immer am Rande des aktuellen Flickens. Der dritte Flicken. Und wieder platt. Ich verstehe es nicht. Baue den Ersatzschlauch ein. Er haelt. Jetzt fehlt nur noch eine Rolle Klopapier und ich kann los. Ich klappere drei Laeden ab. Und dann endlich finde ich eine Rolle Klopapier. Ich bin nervlich voellig am Ende, kriege Weinkraempfe. Ich bin so fertig. Scheiss Stadt. 

Mache erstmal Stop in einer Tankstelle, goenne mir einen Cafe. „Mach doch Pause.“ sagt Daniel, mit dem ich telefoniere. Wieso bin ich da nicht selbst draufgekommen?

Auf Youtube finde ich diesen Dokumentarfilm ueber Sarah Schott, die an Muskoviszidose, einer Lungenkrankheit, leidet. Sie kann kaum noch atmen, ist koerperlich so schwach und mental so unglaublich stark. Ich schaeme mich. Schaeme mich fuer meine Jammerei, schaeme mich dafuer, dass ich nicht die Kraft finde, mir zu sagen: lass dich nicht unterkriegen. Sei stark. Es ist bald vorbei. Die Frau waescht mir den Kopf.

Am naechsten Tag radele ich 118 km in 6:43 h. Hoechsttemperatur: 45 Grad.

Ein paar Tage spaeter, rollt Charlotte nach fast zwei Monaten endlich wieder ueber Schotter. Natur, ein Auto pro Stunde. Ich bin so gluecklich. Alle Anpannung faellt ab. Ich bin erleichtert. Das Fahrradfahren macht wieder Spass.

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Finally back to the mountains

Obwohl das Thermometer noch immer 42 Grad anzeigt. Aber ich habe es geschafft. Endlich. Die zwei Fahrzeuge, die mich ueberholen, kommen mir ploetzlich wieder entgegen. Die Strasse ist gesperrt, der kreuzende Fluss unpassierbar. 

Egal, ich fahre weiter. Halte bei ein paar Haeusern, frage nach Wasser und werde zum Mittagessen eingeladen.

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Cooking lunch: fried meat

Meine Frage, ob ich hier vielleicht eine Nacht in meinem Zelt uebernachten duerfte, wird bejaht. Jose wohnt den halben Monat hier zusammen mit seinen Eltern. Die andere Haelfte arbeitet er als Fahrer fuer eine der Mienen auf dem Weg zum Paso de Sico. Er sagt, er haette nicht nur die ersten Tage Kopfschmerzen auf 4000mNN, sondern auch, wenn er wieder zu seinen Eltern zurueckkommt. Wir unterhalten uns ueber seine Pferde, ich frage ihn, was ein Pferd kostet, mit allem drum und dran: 500 Euro. Ich schwaerme ihm von den trittfesten, anspruchslosen, ausdauernden mongolischen Pferden vor. „Die Pferde hier sind nicht sehr widerstandsfaehig. Viel besser sind Mulos, eine Kreuzung aus Pferd und Esel. Deshalb habe ich auch einen Esel.“ so Jose.

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Kitchen of Jose and his parents

Am naechsten Tag steht das Projekt Flussueberquerung an. Die Fahrradtaschen in einer grossen Tasche an Joses Traktor festgebunden, Die Raeder ausgebaut und ebenfalls festgezurrt, der Rest von Charlotte ueber meiner Schulter, ich auf dem Traktorschutzblech, rumpeln wir durch den reissenden, braunen Fluss. Die Traktorreifen sind bis ueber die Haelfte unter Wasser. Ich mache drei Kreuze. als wir auf der anderen Seite sicher ankommen.

Wiedersehen
Noch 40 km bis zum „Campo de los Suenos“ in Coronel Moldres.

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Campo of dreams

Das Paradies, welches Sebastian geschaffen hat. Zum Ausruhen, Energie tanken, andere Reisende kennenlernen. Mit Lagerfeuerstelle, Aussenkueche, Draussenwohnzimmer ,Wifi, heisser Dusche, einer grossen Wiese – einfach urgemuetlich. Und auch wieder eine Falle, aus der es schwer ist, sich zu befreien um weiterzufahren. 

press on photo to enlarge                        Impressions of the Campo de los Suenos

Sebastian ist zum Glueck zu Hause. Ein freudiges Wiedersehen. Es ist fast wie nach Hause zu kommen.

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Sebastian on his element

Abends muss ich mir meine Jacke ueberziehen, nachts decke ich mich mit meinem Schlafsack zu.

Ich friere sonst. 

 

And life inbetween:

press on photo to enlarge                                       a Bakery in Monte Quemado
    Press on photo to enlarge            Buddhistischer Tempel laotischer Auswanderer bei Posadas
Press on photo to enlarge                                       Silvester feiern mit David und Lea
Press on photo to enlarge                                              Sometimes it is raining

 

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A letter for Angel

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Bridge between el Chaco and Corrientes

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Beach in Corrientes

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km 0 – I started at km 695

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Dead crocodile in Corrientes

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Sleeping at the firefighters

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Misiones mainroad – so boring and dangerous

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Sky in Posadas

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10.000 km in Posadas

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a question

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Dust and Dirt

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Iguazu – far away from everything

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3 countries: Paraguay, Brasil and Argentina

Ein Gedanke zu “Salz auf meiner Haut

  1. Hallo Heike, bist du gut in San Pedro angekommen?
    Wie und wann geht es weiter nach Bolivien?
    Meine Frau und ich trafen uns bei deiner Fahrt nach San Pedro – 85 km davor.
    Erkennung wir beide fotografieren
    Mit Fuji.
    Weiterhin wünsche ich dir das du dein Vorhaben, Bolivien kurzfristig, und Kanada langfristig, erreichst.

    Liebe Grüße Patricia und Engelbert

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