Pennsylvania und Ohio

Tagebuch vom 29.07.24 (irgendwo in Pennsylvania)

Erschlagen, erschöpft von der Hitze, klebrig und dreckig bekam ich mittags auf dem Fahrrad einen kleinen psychischen Zusammenbruch. „Ich schaff das alles nicht.“

Ich fuhr die Einfahrt zu einer Farm hoch, weil ich dringend Wasser brauchte, fand eine Tür, auf der mit grossen Buchstaben „Office“ stand und öffnete sie. Eiskalte Luft umhüllte mich zärtlich und Jennifer sprach mich an: „Oh, hello a bit hot today…brauchst du was, möchtest du Wasser, hey, setz dich erstmal.“ Und ich setzte mich, dankbar um die erfolgreiche Flucht vor der unerträglichen Hitze. Jennifer stellte eine eiskalte Flasche Wasser auf den Tisch und durchlöcherte mich neugierig mit Fragen, nach dem Woher, Wohin und Wieso überhaupt.

„Hier, ich habe noch Nüsse, und da ist der Kühlschrank, bedien dich, möchtest du lieber Cola oder 7up, oder noch ein Wasser?“

Wie ein Engel erschien sie mir aus des Teufels Hitzeofen.

Zum Abschied hat sie mich herzlich umarmt und ich fuhr mit einem Apfel, einem Energieriegel, zwei Flaschen Gatorade und Wasser mehr in den Taschen wieder vom Hof. Oh, danke dir, liebe Jennifer.

aus meinem Tagebuch einen Tag später:

Was für ein wunderbares Gefühl ist es, durch strömenden Regen auf einem Forstweg zu fahren.

Zuvor habe ich das Salz aus meiner Bluse gewaschen. Ein kleiner Bach brachte diese unerwartete Erfrischung und erholsame Abkühlung. Ich schwitze ausnahmsweise einmal nicht.

Tagebuch vom 31.07.24 über eine kleine Stadt im Staat New York

Schwarze Zahnstumpen lächeln mich aus einem müden Gesicht heraus an. Ich fragte wahlweise nach einer Pizza oder einer Banane, und dieses Lächeln war die verlegene, nicht wissende Antwort. „Vielleicht im Convinient-Store.“

Ein Versuch ist es wert, und ich trat durch die Tür. An weissen, halbleeren Regalbrettern und Wänden, an denen nur vereinzelt ein paar Bonbonpackungen hingen, ging ich vorbei zur Theke. Dahinter sass eine Frau, die irgendwie auf Drogen gewesen sein muss, so fahrig und lallig ihre Antwort auf meine Bananen und Pizzafrage war. 

„Have a nice day.“ Auf dem Weg nach draussen bemerkte ich die Mânner, die vor den klimpernden Spielautomaten am dunklen anderen Ende des Ladens sassen. 

Ich verabschiedete mich und draussen vor dem Laden sass noch immer die Frau auf einem weissen Plastikstuhl, welche zuvor etwas von Wasser nuschelte, und die mir ebenfalls völlig zugedröhnt erschien.

Himmel, was ist hier los???

Eine Banane fand ich 50 km weiter.

Einige Tage später öffnete Tom, der eigentlich anders heisst, seine Türen für mich und hiess mich herzlich willkommen. Eine Schale mit Äpfeln, Riegeln und Nüssen standen zur Begrüssung in einem Schälchen bereit. 

Tom wird mit Sicherheit Trump wählen. Die Schuld für die wirklich hohe Inflation hier in den USA, gibt er Biden. Denn er shuttete die Oilcompanies down, was zur Folge hatte, dass die Benzinpreise anstiegen, und deshalb alles teurer wurde, so Tom. 

– Eine einfache aber falsche Begründung, schon allein deshalb, weil unter Biden mehr Öl denn je gefördert wurde. 

Egal.

Tom zeigte mir einen weiteren Grund auf, warum Menschen für Trump empfänglich sein können:

Wenn das eigene Leben schon so schwer und kompliziert ist, dann sollen wenigstens einfache Lösungen für komplexe Probleme ausserhalb des eigenen Lebens her. Und die bietet Trump ja en masse. 

Toms Tochter sitzt seit drei Jahren im Gefängnis. Ihre zwei Töchter, beide im Teenageralter leben seitdem bei ihm. In einem Jahr kommt sie raus, und er hofft, dass sie die beiden dann wieder übernehmen kann. Seit Jahren träumt Tom davon, durch die USA zu radeln, mal länger als zwei Wochen. Eine Amerikakarte hängt an der Wand in seinem Büro mit den Routen eingezeichnet, die er nehmen wird, dann irgendwann vielleicht in zwei Jahren…..

Bis dahin schaut er sich Youtubevideos an, von Leuten, die das machen, wovon er seit Jahren träumt. 

Tagebuch vom 11.8.24 (London, Ohio)

Heute morgen habe ich meine Fliessjacke angezogen, als ich zur Toilette des Campsites ging. Es war kühl und nun weht eine wunderbare frische Brise. Wie fantastisch meine Reise doch plötzlich ist.

Vorgestern kam ich mit einer Frau aus Honduras ins Gespräch, wir sprachen spanisch miteinander. und sie erinnerte mich an die Warmherzigkeit, die spielerische Leichtigkeit, die Menschlichkeit, die ich in Lateinamerika erfuhr. Sie gab mir 20 Dollar, die ich letztendlich doch akzeptierte, weil sie nur durch meine Hände zu jemandem gelangen werden, der sie dringender braucht, als ich. Zunächst konnte ich das Geld wirklich nicht annehmen. Sie musste wahrscheinlich sehr hart und sehr lange dafür gearbeitet haben. Sie sprach von „bendigo“- Güte, von Gott, und davon, dass wir alle miteinander verbunden seien. 

Und gestern abend, auf dem Free Campsite in London, Ohio, sass diese Frau unter einem der Bäume mit ihrem kleinen Wägelchen. Ja, dieser Platz hier zieht auch Obdachlose an, dachte ich.  

Sie ist vielleicht obdachlos, hat wahrlich kein Geld, keinen Schlafsack, kein Zelt. Zum Schlafen breitete sie ein Stück Pappe aus. Sie wanderte die 12 Meilen zu diesem Platz, weil sie ihn einfach schön findet und weil sie gerne wandert. 

Ein anderer Radfahrer gab ihr eine Rettungsdecke aus Alu für die Nacht. Es sollte wirklich kühl werden. Am nächsten Tag lag die Decke zusammengefaltet mit einem Dankesschreiben und einer Entschuldigung vor dem Zelt des Radlers. Entschuldigung dafür, dass sie die Decke nicht nehmen konnte. Sie hätte keinen Platz in den Taschen. Was für eine stolze Frau, die nicht annehmen wollte. Ich wollte Abendessen für sie mitkochen. Natürlich sagte sie „nein, danke“

Magenprobleme. Ich glaubte ihr nicht. Ich hätte sie vielleicht einfach ungefragt mit einplanen sollen. Am nächsten Morgen war sie schon weg, als ich aufstand und für uns beide Cafe machen wollte, ungefragt. 

Ich hatte es eilig, wollte und musste Kilometer machen, denn ich hatte ein Zugticket von Cincinnati nach Grand Junction gekauft. ca. 40 Stunden Zugfahrt mit einmal umsteigen in Chicago….

In Cincinnati kam ich bei Suzanne unter, die ich über Warmshowers kontaktierte. Wir fuhren eine Nacht später zusammen mit dem Fahrrad zum Bahnhof. Der Zug hatte schon zwei Stunden Verspätung und ich war wirklich sehr nervös, bzw. hibbelig. Vier Stunden Umsteigezeit in Chicago sollten reichen, wie mir alle bestätigten. Suzanne und ich verabschiedeten uns voneinander. „Hoffentlich sehen wir uns wieder, irgendwo, und hoffentlich nicht heute nacht, aber wenn was ist, dann komm zurück, ok?“ ‚-sagte sie . 

Cincinnati

Der Zug blieb erneut aufgrund technischer Probleme kurz vor Cincinnati liegen. Mithilfe des Handys der netten Ticketverkäuferin konnte ich das Ticket telefonisch umbuchen auf den nächsten Zug in zwei Tagen. Ich setzte mich um 4 Uhr nachts aufs Rad und radelte durch das nächtliche Cincinnati zurück zu Suzanne, die zum Glück einen Türcode hatte. 

Vier Tage später stieg ich in Grand Junction aus dem Zug und wurde von Ken und Denny herzlich willkommen geheissen.

Zugfahrt nach Colorado

Und sonst?

Pittsburgh

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Chicago

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on the road

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